Bruxismus: Was gegen Zähneknirschen hilft
05.04.2022Zähneknirschen kann harmlos sein aber auch negative Folgen für Zähne, Kiefergelenke, ja sogar für unsere Sinnesorgane haben. Auch (Kopf-)Schmerzen sind keine Seltenheit. Was Sie selbst tun können – und was der Zahnarzt oder Kieferorthopäde.
Vielleicht kommen Ihnen folgende Aussagen vertraut vor: „Mein Partner knirscht nachts mit den Zähnen. Das Geräusch ist furchtbar und klingt einfach nicht gesund.“ Oder: „Seitdem ich meine Zahnschiene habe, bin ich wie ein neuer Mensch. Vorher hatte ich fast jeden Tag Kopfschmerzen.“ So beispielsweise könnte bei dem einen oder anderen das Zähneknirschen ein persönliches Thema geworden sein. Aber ist es denn wirklich schlimm und schadet es der Gesundheit? Und wie kann der Zahnarzt oder Kieferorthopäde helfen? Ein genauer Blick auf dieses Thema lohnt sich.
Was genau ist Zähneknirschen oder Bruxismus?
Der Fachbegriff für das Zähneknirschen lautet Bruxismus. Zahnmediziner sprechen von rhythmisch ablaufenden kauähnlichen Bewegungen der Kaumuskulatur, die oft über mehrere Minuten anhalten. Betroffene knirschen dabei unbewusst sowie häufig nachts. Auch das unbewusste Aufeinanderpressen der Zähne ist eine Form des Bruxismus. Die erhöhte Spannung und Aktivität der Kaumuskulatur kann unangenehme Folgen haben. Der Hauptmuskel beim Kauen, der Musculus masseter, gilt als der stärkste Muskel des menschlichen Körpers. Dies verdeutlicht, welche Kräfte auf die Zähne beim Knirschen einwirken können.
Warum knirschen manche Menschen mit den Zähnen?
Wichtige Risikofaktoren für Zähneknirschen und Zähnepressen sind chronischer Stress und Angst sowie Abweichungen der Bisslage bzw. der Zahnkontakte. Aber auch chronischer Genuss von Alkohol, Koffein oder Rauchen sowie manche Medikamente (z. B. Amphetamine, L-Dopa) können ein Zähneknirschen begünstigen. Darüber hinaus kommen neurologische oder psychiatrische Störungen sowie Schlafstörungen als Ursachen infrage. Das Zähneknirschen als Folge dieser Risikofaktoren bezeichnen Zahnmediziner als sekundären Bruxismus. Die primäre Form beschreibt das nächtliche Knirschen ohne bekannte medizinische Ursache und zählt zu den Schlafstörungen .
Welche Folgen hat Zähneknirschen?
Durch das Knirschen kann es zu einem Abrieb der Zahnhartsubstanz kommen. Es geht also wertvoller Zahnschmelz verloren, teilweise sogar das darunterliegende Dentin. Das begünstigt Karies, kann zu einem ästhetischen Problem werden und sich durch den Verlust an Bisshöhe auf die Kiefergelenke auswirken. Dadurch wird es zum funktionellen Problem. Auch der Zahnhalteapparat kann geschädigt werden, bis hin zur Lockerung von Zähnen.
Nicht selten äußert sich das Zähneknirschen auch in Kiefergelenksbeschwerden mit zum Teil starken Schmerzen oder unangenehmem Knacken. Das bezeichnet man auch als Craniomandibuläre Dysfunktion, kurz CMD. Die Kaufunktion kann dadurch erheblich eingeschränkt werden. Eine Ermüdung der Muskulatur kann diese Funktionseinbuße zusätzlich verstärken. Neben den Gelenkschmerzen können auch Kopfschmerzen durch die Verspannung von Kau- und Gesichtsmuskulatur auftreten. Meistens strahlen sie in die Stirn- und Schläfenregionen aus.
Sogar Ohren und Augen können betroffen sein
Der Kopf beherbergt viele Sinnesorgane auf engem Raum. Ein anatomischer Nachbar des Kauapparats ist zum Beispiel auch das Ohr. Jeder, der schon einmal den Luftdruck bei einem Flug ausgleichen musste, kennt die Bewegung beim Gähnen oder Kieferöffnen, die dabei unterstützt. Es ist also nicht verwunderlich, dass durch Knirschen auch Ohrgeräusche (Tinnitus) ausgelöst werden können. Sogar Schwindel und Übelkeit können auftreten. Denn die Gelenke und Muskeln des Unterkiefers haben auch eine Verbindung zum Innenohr und damit zum Gleichgewichtsorgan. Außerdem ist das Kiefergelenk direkt mit der Wirbelsäule und den Halswirbeln verbunden. Die Nacken- und Schultermuskeln versuchen bei einer Kieferfehlstellung, die dem Knirschen zugrunde liegen kann, diese auszugleichen. Dabei können Verspannungen vor allem im Nackenbereich entstehen, was ebenfalls zu Schwindel führen kann.
Und sogar Sehstörungen können durch Bruxismus hervorgerufen werden. Der Muskel, der für die Vorwärts- und Seitwärtsbewegungen verantwortlich ist, steht nämlich wiederum in Verbindung mit der Augenwand. Bei Fehlbelastungen können daher unangenehme Druckgefühle oder Schmerzen hinter den Augen sowie Sehstörungen und Lichtempfindlichkeiten auftreten.
Wer ist von Bruxismus betroffen?
Die Häufigkeit von Bruxismus nimmt im Alter ab: Kinder sind mit 14 bis 20 Prozent am häufigsten betroffen. Junge Erwachsene mit 13 Prozent etwas seltener und Über-60-Jährige mit 3 Prozent am seltensten. Auch bei Kindern kann Zähneknirschen auf Stress, Angst und Überforderung hinweisen, in der Regel ist es aber harmlos. Der Durchbruch der Milchzähne im Milchgebiss beim Baby und Kleinkind wird häufig von starkem Knirschen begleitet, da während des Wachstumsprozesses die Zähne noch nicht optimal zueinanderstehen. Durch das Knirschen adaptiert sich der Körper langsam an die sich verändernde Gebisssituation.
Therapie: Was ist bei Bruxismus zu tun?
Im Vordergrund der Behandlung stehen der Schutz der Zähne, eine Reduktion der „Knirschaktivität“ und die Linderung von Symptomen wie Schmerzen. Bei der Behandlung des Zähneknirschens gilt es vor allem, eine weitere Abnutzung der Zähne zu verhindern. Dafür stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.
Die wohl bekannteste Therapie ist der Einsatz einer sogenannten Knirscherschiene (Okklusionsschiene) aus Kunststoff die einen Abrieb an den Zähnen reduzieren soll, indem sie auftretende Kräfte gleichmäßig verteilt. Diese Therapie ist nicht-kausal, wirkt also nur gegen die Folgen des Knirschens. Bei einer adjustierten Aufbissschiene, z. B. Michigan-Schiene, wird die Positionierung der Kiefergelenke zusätzlich berücksichtigt.
Die Schienen werden anhand eines individuellen Abdrucks des Ober- oder Unterkiefers oder Kieferscans angefertigt. Somit werden zum einen die Zähne geschützt, zum anderen kann sich auch das Bewegungsmuster des Unterkiefers umstellen und die Muskulatur entspannen, wodurch das Zähneknirschen eventuell sogar gar nicht mehr auftritt. In vielen Fällen müssen Patienten so eine Zahnschiene gegen das Knirschen allerdings lebenslang tragen – insbesondere in Stressphasen und bei Bedarf auch tagsüber.
Der Zahnarzt oder Kieferorthopäde kann auch beurteilen, ob die Okklusion – also das Ineinandergreifen von Ober- und Unterkiefer – gestört ist, etwa durch nicht genau passenden Zahnersatz, Füllungen, Kronen oder, ob ein kieferorthopädisches Problem vorliegt.
Medikamentöse Therapien werden nicht dauerhaft empfohlen. Eine Injektion von Botox (Botulinumtoxin) in den Kaumuskel (Musculus masseter) kann zu einer Muskelentspannung beitragen. Die Anwendung liegt jedoch in den Händen des Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen (MKG).
Ein weiterer Behandlungsansatz ist das Biofeedback. Bei dieser Methode werden körpereigene Vorgänge mit technischen Hilfsmitteln beobachtbar gemacht. Mit einer Sonde am Kaumuskel wird die Muskelspannung gemessen. Durch ein rückgekoppeltes akustisches Signal soll der Patient trainieren, den Kauimpuls willentlich zu unterbrechen. Wissenschaftlich ist dieser Ansatz jedoch noch unzureichend erforscht. So können auch andere Entspannungsmethoden wie Meditation und Yoga dazu beitragen, die Aktivität und Verspannung der Muskulatur zu reduzieren.
Physiotherapeutische Maßnahmen, manuelle Therapie oder Osteopathie können ebenfalls zur Entspannung der Kaumuskulatur beitragen und Blockaden in der Wirbelsäule auflösen. Auch die (angeleitete) Selbstmassage der Muskulatur ist möglich.
Für einen kausalen Ansatz kann es sich auch lohnen, die Fragen nach psychischen Belastungen zu stellen und diese z. B. im Rahmen einer Psychotherapie anzugehen oder seinen Lebenswandel entsprechend anzupassen. Auch das Thema Übersäuerung der Muskulatur und Ernährungsgewohnheiten wird in diesem Zusammenhang diskutiert.
Fazit: Zähne zusammenbeißen ist keine gute Idee
Zähneknirschen kann zu gesundheitlichen Schäden führen. Es existieren validierte Behandlungsmethoden, die das Zähneknirschen zwar nicht ursächlich angehen, die aber Folgeschäden wirksam verhindern können, etwa die Behandlung mit einer Aufbissschiene. Das Zähneknirschen selbst kann auch auf chronischen Stress hindeuten. Es ist daher auch manchmal ein Kommunikationsversuch des Körpers neben vielen anderen, auf den Sie hören sollten. Knirscht es also im Alltag, ist es nicht immer der richtige Weg, die Zähne zusammenzubeißen und unverändert weiterzumachen. Im Gegenteil ist es ratsam, zahnärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Und vielleicht auch mehr Achtsamkeit in die Hektik der heutigen Leistungsgesellschaft zu integrieren.
Quellen
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