V. Borodinova | pixabay

Kariesschutz mit Fluorid: Vom ersten Zähnchen an

02.06.2021

Fluorid hilft, Karies vorzubeugen. Bisher waren Zahnärzte und Kinderärzte jedoch uneins, wie die Prophylaxe mit Fluorid bei Babys und Kindern genau aussehen soll. Nun gibt es endlich neue gemeinsame Empfehlungen.

Fluorid schützt Kinderzähne vor Karies. Da sind sich Ärzte und Zahnärzte einig. Aber soll man Babys und kleinen Kindern lieber Fluoridtabletten geben oder sie mit Fluorid-Zahnpasta putzen lassen? Daran scheiden sich die Geister. Oder vielmehr: schieden sich die Geister. Denn in der jahrelangen Diskussion zwischen Kinderärzten und Zahnärzten gab es nun eine Einigung. Die Experten haben eine gemeinsame Empfehlung für Kinder von 0 bis 6 Jahren herausgegeben, an der sich Eltern orientieren können.

Wo lag das Problem? Grundsätzlich ist klar, dass Fluoride in der Kariesprophylaxe eine wichtige Rolle spielen. Denn unsere Zähne sind besser vor Karies geschützt, wenn in den Zahnschmelz ausreichend Fluorid eingelagert ist. Kariesbakterien können so besser abgewehrt und Säureschäden schneller repariert werden. In den Zahnschmelz kann das Fluorid auf zwei Wegen gelangen. Fluorid, das wir mit der Nahrung aufnehmen, gelangt auf dem Blutweg in den Zahn bzw. in den Speichel und damit auch in den Zahnschmelz. Einfacher und effizienter ist aber die Fluoridaufnahme durch direkten Kontakt: zum Beispiel in Form von Fluoridlack, den der Zahnarzt aufträgt, oder durch fluoridhaltige Zahnpasta.

Was ist besser: Tabletten oder Zahnpasta mit Fluorid?

Allerdings schlucken Babys und kleine Kinder beim Zähneputzen oft einen großen Teil der Zahnpasta herunter. Das ist nicht im Sinne des Erfinders, und eine korrekte Dosierung des Fluorids ist auf diesem Weg kaum möglich. Deshalb plädieren Kinderärzte dafür, Fluorid lieber als Tablette zu geben. So weiß man zumindest, dass die Dosierung stimmt. Außerdem kann das Fluorid gut mit der täglichen Vitamin-D-Tablette kombiniert werden, finden die Kinderärzte.

Die Zahnärzte halten entgegen, dass das Fluorid als Tablette viel schlechter in den Zahnschmelz gelangt, und raten von dieser Einnahmeform eher ab. Und auch die Dosierung sei auf diesem Weg nicht wirklich zu kontrollieren, weil auch über die Nahrung und das Trinkwasser schwankende Mengen Fluorid aufgenommen werden. Lieber sollte man deshalb vom ersten Zähnchen an eine Zahnpasta mit altersgerechtem Fluoridgehalt verwenden und darauf achten, dass auch die Zahnpastamenge stimmt. So kann die Substanz über direkten Kontakt in den Zahnschmelz gelangen und muss nicht auf dem Blutweg im ganzen Körper verteilt werden. Und auch das Risiko unschöner weißer Flecken im Zahnschmelz sei dann geringer, so die Zahnärzte.

Lange Zeit konnten sich Zahnärzte und Kinderärzte hier nicht auf eine Empfehlung einigen – zum Leidwesen der Eltern, die für ihre Kinder nur das Beste wollten und in einer Art Zwickmühle waren. Auf wen sollten sie nun hören?

Endlich eine einheitliche Fluorid-Empfehlung

Die Antwort lautet seit April 2021: auf beide. Denn die kinder- und zahnärztlichen Fachgesellschaften haben sich auf einen Kompromiss geeinigt.

Ab der Geburt sollten Eltern ihrem Kind Fluorid geben. Und zwar zunächst als tägliche Tablette in Kombination mit Vitamin D, bei Bedarf aufgelöst in ein paar Tröpfchen Wasser.

Ist der erste Zahn durchgebrochen, gibt es zwei Möglichkeiten

  1. Mit der Fluorid-Tablette weitermachen und die ersten Zähnchen ohne Zahn­pasta oder mit einer kleinen Menge Zahnpasta ohne Fluorid putzen.
  2. Ab dem Zahndurchbruch nur noch Vitamin D als Tablette geben und die Zähne mit einer fluoridhaltigen Kinderzahnpasta putzen – und zwar mit einer bis zu reiskorngroßen Menge mit 1000 ppm (parts per million) Fluorid bis zu zweimal täglich.

 

Ab dem ersten Geburtstag geht es dann für alle ohne Fluoridtablette weiter, dafür zweimal täglich putzen mit einer reiskorn­großen Menge Zahnpasta mit Fluorid (1000 ppm). Und ab dem zweiten Geburtstag: zwei- bis dreimal täglich die Zähne mit einer erbsengroßen Menge Zahnpasta putzen, die ebenso viel Fluorid enthält. 

Ab dem 2. Geburtstag: Zähneputzen - mit einer erbsengroßen Menge Zahnpasta, Quelle: intern
Ab 1. Lebensjahr: Zähneputzen - mit max. reiskorngroßen Menge Zahnpasta, Quelle: intern

 

Bei Kinderzahnpasta mit Fluorid auf Dosierung achten

Dabei sollten die Eltern jeweils auf eine genaue Dosierung der Zahnpasta achten. Solange die Kinder die Zahnpasta noch nicht zuverlässig ausspucken können, kann es sonst zu einer Überdosierung kommen. Hilfreich wären dafür Zahnpasta-Tuben mit kleiner Öffnung, die der Markt derzeit allerdings noch vermissen lässt. Auch von Zahnpasten mit leckerem Bonbon- oder Fruchtgeschmack wird abgeraten, weil die Kinder dadurch noch mehr zum Verschlucken verleitet werden.

ACHTUNG

Viele Kinderzahnpasten enthalten 500 ppm Fluorid. Diese Dosierung wird von Experten nicht mehr empfohlen. Eltern müssen also beim Kauf genau hinschauen. Zahnpasta für Babys und Kleinkinder sollte 1000 ppm Fluorid enthalten.

Von 0 bis 6 Jahre: Fluorid muss mit! Quelle: BZfE

 

Ab dem 6. Lebensjahr Umstellung auf Erwachsenen-Zahncreme 

Ab dem 6. Lebensjahr wird die Umstellung auf Zahncreme für Erwachsene empfohlen. Der Fluoridgehalt beträgt 1000-1500 ppm. Die Menge erhöht sich auf einen Zahnpastastrang von 1-2 cm bei täglichem Zähneputzen von 2-3 Mal. 

PRAXISTIP 1: Sollten die Kinder die Zahncreme für Erwachsene anfänglich als zu scharf empfinden, vermischen Sie die gewohnte Kinder-Zahncreme mit der Erwachsen-Zahncreme im Verhältnis 1:1 und erhöhen langsam den Anteil der Erwachsenen-Zahncreme, bis sich Ihr Kind an den Geschmack gewöhnt hat. 

Ist Fluorid schädlich oder sogar giftig?

Um es kurz zu machen: Nein, Fluorid ist nicht gesundheitsschädlich oder giftig, solange es nicht überdosiert wird.

Da haben Kinder gut Lachen: Fluoride schützen. Quelle: a. jones | unplash

 Wie so oft gilt auch bei Fluorid: Die Dosis macht das Gift. Um eine Fluorid-Vergiftung zu bekommen, müsste man als Erwachsener allerdings regelmäßig gleich mehrere Tuben Zahnpasta herunterschlucken.

Bei Kindern unter sieben Jahren muss man trotzdem aufpassen, dass sie nicht dauerhaft zu viel Fluorid zu sich nehmen. Sie sind aufgrund ihres geringen Gewichts anfälliger für Überdosierungen, die dann zu sogenannten Fluorosen führen können: weiße Flecken auf dem Zahnschmelz, die man nur schwer wieder loswird. Deshalb: Fluoridtabletten nicht mit fluoridhaltiger Zahnpasta kombinieren und bei kleinen Kindern genau auf die empfohlenen Mengen achten!

Ab sechs Monaten regelmäßig zum Zahnarzt!

Fluorid ist eine wichtige Maßnahme zur Kariesprophylaxe bei Babys und Kindern, aber nicht die einzige. Deshalb sollten Sie mit sechs Monaten, wenn die ersten Zähnchen durchbrechen, Ihrem Zahnarzt einen ersten Besuch abstatten. Er berät Sie nicht nur rund um Fluorid, sondern auch zu Zahnpflege und zahngesunder Ernährung bei Ihrem Baby oder Kind. Und ihr Kind kann sich dabei auch frühzeitig mit der Zahnarztpraxis vertraut machen.

Erhöhtes Kariesrisiko für Zahnspangenträger

Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die sich in einer kieferorthopädischen Behandlung befinden, haben ein erhöhtes Kariesrisiko, vor allem, wenn festsitzende Zahnspangen zum Einsatz kommen. Um die Brackets und in den Zahnzwischenräumen lagern sich leichter Zahnbeläge ab. Oft verwendet der Kieferorthopäde während der Behandlung zusätzlich kleine Metalldrähtchen zur Verblockung der Zähne oder elastische Ketten zum Lückenschluss. Während dieser Zeit ist die Reinigung der Zwischenräume auch unter Verwendung von Zahnzwischenraumbürstchen und Zahnseide besonders erschwert. Neben der regelmäßigen Zähneputzen empfehlen die Zahnärzte und Kieferorthopäden die ergänzende die tägliche Anwendung von fluoridhaltigen Mundspüllösungen und die Verwendung eines hochdosierten Fluorid-Gelee einmal pro Woche.

Kindern ab dem vollendeten 6. Lebensjahr wird zusätzlich zur normalen Zahnputzroutine mit flouridhaltiger Zahnpasta einmal wöchentlich die Anwendung eines hochdosierten Fluorid-Gelees (12500 ppm) am Abend angeraten. Dabei wird etwa 1 cm Fluorid-Gelee auf die Zahnbürste aufgetragen und die Zähne geputzt. Nach 2 bis 3 Minuten sollte der Mund sorgfältig ausgespült werden, da die Gesamtanwendungszeit 5 Minuten nicht überschreiten sollte. 

Praxistip 2: Nutzen Sie mit Ihren Kindern die zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen und regelmäßigen Prophylaxesitzungen im Rahmen der Individualprophylaxe (IP 1-4) der gesetzlichen Krankenkassen. Ein Fluorid-Gelee kann bei entsprechender Indikation per Rezept vom Zahnarzt oder Kieferorthopäden verordnet werden.

 

 

Quellen:

  • Berg, B, Cremer, M, Flothkötter, M. et al. Kariesprävention im Säuglings- und frühen Kindesalter. Monatsschr Kinderheilkd (2021).
  • Takahashi R, Ota E, Hoshi K, Naito T, Toyoshima Y, Yuasa H, Mori R, Nango E. Fluoride supplementation (with tablets, drops, lozenges or chewing gum) in pregnant women for preventing dental caries in the primary teeth of their children. Cochrane Database Syst Rev. 2017 Oct 23;10(10)
  • Pollick H. The Role of Fluoride in the Prevention of Tooth Decay. Pediatr Clin North Am. 2018 Oct;65(5):923-940
  • Das Gesundheitsportal medondo.health
  • Reich E. Kariesprophylaxe mit Fluoriden – Aktuelle Empfehlung. Quintessenz Team-Journal 48 (2018) 205-209
  • WalshT, Worthington H V, Glenny A-M,  Marinho V Cc, Jeroncic A. Fluoride toothpastes of different concentrations for preventing dental caries. Cochrane Database Syst Rev. 2019 Mar 4;3(3)
  • Benson PE, Parkin N, Dyer F, Millett DT. Fluorides for preventing early tooth decay (demineralised lesions) during fixed brace treatment. Germain P.Cochrane Database Syst Rev. 2019 Nov 17;2019(11)