Kiefergelenksarthrose: Ursachen, Symptome, Behandlung
23.06.2022Knackt und knirscht es bei Ihnen manchmal im Kiefergelenk? Dahinter könnte eine Arthrose stecken – insbesondere, wenn Schmerzen und Probleme beim Kauen, Beißen und Sprechen im Spiel sind. Woher eine Kiefergelenkarthrose kommt und wie die Therapie aussieht.
Was ist eine Kiefergelenkarthrose?
Genau wie bei Knie oder Hüfte kann es auch im Kiefergelenk im Laufe des Lebens zu einer Arthrose kommen – also Gelenkveränderungen, die durch Abnutzung und Verschleiß bedingt sind. Das Kiefergelenk besteht aus der Gelenkpfanne des Oberkiefers, einer Knorpelscheibe, dem sogenannten Discus articularis, und dem Gelenkkopf des Unterkiefers. Das Kiefergelenk ist eines der kleinsten Gelenke des Körpers, ist sehr beweglich und hat wichtige Funktionen beim Sprechen, Abbeißen, Kauen und Schlucken. Dadurch ist es das meistbenutzte Gelenk unseres Körpers. Wird das Kiefergelenk auf Dauer falsch oder übermäßig beansprucht, kann der Knorpel Schaden nehmen und mit der Zeit dünner werden. Zu der mechanischen Abnutzung kommt oft phasenweise eine Entzündungsreaktion, die den Prozess noch weiter befeuert. Unbehandelt wird auf Dauer der Knorpel zerstört, später auch der darunter liegende Knochen.
Symptome bei Kiefergelenkarthrose
Oft bleibt eine Arthrose des Kiefergelenks lange Zeit unbemerkt. Es gibt aber typische Symptome, bei denen man aufhorchen sollte: ein Reiben, Knacken oder Knirschen, verbunden mit Schmerzen im Bereich der Kiefergelenke. Oder auch Bewegungseinschränkungen: Ein längeres Mundöffnen fällt dann schwer, der Mund geht nicht auf oder er lässt sich nicht mehr schließen. Die Kiefergelenkprobleme können sich aber auch auf andere Körperregionen auswirken und dann mitunter Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Ohrenschmerzen, Ohrgeräusche und weitere Beschwerden verursachen.
Das sind die Ursachen einer Kiefergelenkarthrose
Am häufigsten steckt hinter einer Kiefergelenkarthrose eine Über- oder Fehlbelastung. Diese wiederum kann unterschiedliche Ursachen haben, z. B. Zähneknirschen, exzessives Kaugummikauen oder Nägelbeißen, veränderte Zahnkontakte durch eine zu hohe Füllung oder das Fehlen eines Zahns, Zahnfehlstellungen oder Okklusionsstörungen, also ein fehlerhaftes Aufeinanderbeißen von Ober- und Unterkiefer. Aber auch durch Verletzungen oder Erkrankungen wie z. B. rheumatoide Arthritis ("Gelenkrheuma") können die Kiefergelenke Schaden nehmen.
Kiefergelenkarthrose und CMD: Wie hängt das zusammen?
Als craniomandibuläre Dysfunktion, kurz CMD, bezeichnet man Beschwerden, die entweder durch eine Störung im Bereich der Kaumuskulatur oder der Kiefergelenke zustande kommen. Eine Kiefergelenkarthrose ist also eine von verschiedenen Ursachen für eine CMD. Umgekehrt kann eine CMD auf Dauer zu einer Kiefergelenkarthrose führen.
So wird eine Arthrose im Kiefergelenk festgestellt
Ein erfahrener Zahnarzt oder Kieferorthopäde sollte bei Verdacht das Kiefergelenk und den Kiefer zunächst gründlich untersuchen. Allerdings gehören alle Methoden die standardmäßig zur Diagnoseerstellung oder zum Ausschluss einer Kiefergelenks-Arthrose erforderlich wären, nach § 28, Abs. 2, Satz 8 des Sozialgesetzbuches V (SGB V) nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkasse und sind vom Patienten selbst zu tragen, auch wenn sich der Verdacht bestätigt. Eine zahnärztliche Zusatzversicherung kann sinnvoll sein.
Neben der manuellen Funktionsanalyse ist die bildgebende Diagnostik wichtig. Die digitale (dentale) Volumentomographie (DVT) dient der dreidimensionalen Darstellung der knöchernen Strukturen der Kiefergelenke und kommt mit einer vergleichsweise geringen Strahlenbelastung aus. Die DVT-Aufnahmen liefern dreidimensionale Aufnahmen, die sich hervorragend zur Diagnostik einer Arthrose im Kiefergelenk eignen. Die Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) erlaubt die dreidimensionale Beurteilung vor allem der Weichgewebe im Bereich der Kiefergelenke und wird zur Abklärung der Lage der Gelenkscheibe (Diskus) z.B. bei Verdacht auf Diskusverlagerung genutzt. Konventionelle radiologische Verfahren zur Kiefergelenksdiagnostik können nur Hinweise auf Veränderungen geben. Sie eignen sich aber nicht zur Differentialdiagnostik.
Was tun bei Kiefergelenkarthrose?
Nach Möglichkeit sollte man die Ursache der Arthrose finden und beheben. Physiotherapie, Osteopathie oder Entspannungsverfahren können helfen, wenn die Muskulatur verspannt ist. Eine weitere Therapie kann eine Schienenbehandlung zur Entlastung des Kiefergelenkes sein.
Sollte eine Grunderkrankung wie etwa Gelenkrheuma vorliegen, muss diese in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Fachdisziplinen behandelt werden. Zusätzlich behandelt man bei Bedarf die Symptome, zum Beispiel mit Schmerzmitteln, die auch eine antientzündliche Wirkung haben (NSAR). Chirurgische Eingriffe bis hin zu einem künstlichen Kiefergelenk sind jedoch nur in seltenen Fällen nötig.
Manchmal wird eine Kiefergelenkarthrose durch Zufall im Röntgenbild diagnostiziert. Sie muss nicht behandelt werden, solange sie keine Beschwerden verursacht.
Kiefergelenkarthrose oder Kiefergelenkarthritis?
Eine Arthrose im Kiefergelenk kann phasenweise auch mit einer Entzündung einhergehen. Dann spricht man auch von einer Kiefergelenkarthritis. In anderen Fällen kann eine Gelenkentzündung die Ursache der Gelenkbeschwerden sein. Das ist zum Beispiel bei rheumatoider Arthritis ("Rheuma") der Fall. Die rheumatische Arthritis ist eine der häufigsten entzündlichen Erkrankungen des Kiefergelenks. Meist sind beide Kiefergelenke betroffen. Die Kiefergelenke sind extrem druckempfindlich und der Unterkiefer schmerzt bei jeder Bewegung. Bei Rheuma sollte daher unbedingt frühzeitig das Kiefergelenk untersucht werden, um rechtzeitig größeren Schädigungen vorzubeugen.
Außerdem ist es wissenschaftlich erwiesen, dass sich Parodontitis und rheumatische Erkrankungen beeinflussen. Schon eine mittelschwere Parodontitis kann das Risiko für die Entstehung einer rheumatoiden Arthritis erhöhen.
Fazit:
Das Vorliegen oder Ausmaß einer Kieferarthrose kann nur durch eine fundierte Funktionsanalyse und ein DVT abgeklärt werden. Die Untersuchungen werden allerdings nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Bei einer bestätigten Rheumadiagnose sollte das Kiefergelenk frühzeitig untersucht werden. Nicht jedes nicht schmerzhafte Reibegeräusch im Kiefergelenk führt zu einer Kieferarthrose oder ist therapierbar.
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