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Zahnarztscham überwinden: Tipps für Betroffene

02.10.2024

Viele Menschen haben Angst vor dem Zahnarztbesuch. Aber wie äußert sich das eigentlich? Bei manchen Menschen handelt es sich weniger um Angstgefühle, als vielmehr um ein verwandtes Gefühl: die sogenannte Zahnarztscham. Was aber hat es damit genau auf sich, warum schämen wir uns überhaupt und was können Betroffene sowie Zahnärzte bei Zahnarztscham tun?

Was bedeutet Zahnarztscham? 

Zahnarztscham beschreibt das unangenehme Gefühl oder die Verlegenheit, die man empfindet, wenn man sich beim Zahnarztbesuch für den Zustand der eigenen Zähne oder die Mundhygiene schämt. Dieses Gefühl kann von leichter Verlegenheit bis zu extremer Scham reichen. Es beruht auf der Überzeugung, dass man durch unzureichende Zahnpflege nicht den sozialen Erwartungen oder Normen entspricht.

Wer an Zahnarztscham leidet, meidet daher oft den Zahnarztbesuch aus Sorge, vom Zahnarzt oder der Zahnärztin verurteilt oder kritisiert zu werden. Diese Scham kann auch von Angst begleitet werden, was das Risiko erhöht, langfristig die Zahngesundheit zu gefährden.

Wie erleben Patientinnen und Patienten Zahnarztscham?

Die eigenen „schlechten“ Zähne jemand anderem oder gar dem Zahnexperten zu zeigen, wird als große Herausforderung oder gar als unüberwindbar wahrgenommen. In vielen Fällen überwiegt die Scham sogar vor anderen Angstgefühlen.

Was sind die Auslöser für Scham auf dem Behandlungsstuhl?

Die Entwicklung einer Zahnarztscham kann auf schlechten Erfahrungen beruhen. Nicht jeder Zahnarzt oder jede Zahnärztin bringt das nötige Fingerspitzengefühl mit, um auf unsichere Patientinnen und Patienten einzugehen. Situationen, in denen Betroffene bei einer Behandlung für ihre Mundhygiene oder den Zustand ihrer Zähne kritisiert wurden, sind nicht selten und können die Zahnarztscham verstärken.

Das Bewusstsein über sichtbare Zahnprobleme wie Karies, Verfärbungen oder Zahnverlust verstärkt zusätzlich das Schamgefühl. Allerdings ist dies oft nicht objektiv. Viele Menschen nehmen sich selbst und körperliche Gegebenheiten deutlich überspitzter wahr, als es in der Realität der Fall ist.

Hinzu kommen Unsicherheiten über die eigene Zahnpflegeroutine. Gedanken wie „Der Zahnarzt sieht sofort, wenn ich meine Zähne nicht geputzt habe“ tragen dazu bei, dass man sich auf dem Zahnarztstuhl ausgeliefert und bloßgestellt fühlt. Was aber, wenn man es nie gelernt hat, sich „richtig“ um seine Zähne zu kümmern? Dazu kommen genetische Voraussetzungen, die uns unterschiedliche Grundlagen der Zahnbeschaffenheit mit auf den Weg geben.

Ein guter Zahnarzt oder eine gute Zahnärztin weiß um diese vielen individuellen Besonderheiten und möchte am Ende nur eins: Den Patientinnen und Patienten helfen und sie weder verurteilen noch bloßstellen oder maßregeln.

Die doppelte Belastung bei Zahnarztscham

Das Schamgefühl kann in ausgeprägten Fällen auch weit über die Scham beim Zahnarztbesuch hinausgehen. Die Betroffenen empfinden ihre Zähne beim Blick in den Spiegel als unansehnlich und vermeiden daher auch im Alltag, diese zu zeigen. Lächeln oder Sprechen werden zu einem Spießrutenlauf, was so belastend sein kann, dass der soziale Rückzug die einzige Lösung scheint. Die Folge ist eine massive Einschränkung der Lebensqualität. Es entsteht ein Teufelskreis, denn ohne die Behandlung von schlechten Zähnen wird sich der Zustand weiter verschlechtern.

Wie kann der Zahnarzt bei Zahnarztscham helfen?

Angstpatientinnen und Angstpatienten sind keine Seltenheit in der Zahnarztpraxis. Profis sollten daher grundsätzlich ein gewisses Maß an Empathie mitbringen, wenn sie ängstliche Patientinnen und Patienten behandeln. Alternativ gibt es auch spezialisierte Praxen, die sich vorwiegend auf Angstpatienten konzentrieren.

Bei Zahnarztscham sind ähnliche Kompetenzen gefragt: Um diese Gefühle abzubauen oder zumindest so weit zu reduzieren, dass eine Behandlung möglich wird, ist eine einfühlsame und verständnisvolle Kommunikation nötig. Sorgen sowie Ängste und natürlich die Scham müssen ernst genommen werden. Das Zuhören und das Erklären, dass Zahnprobleme häufig auftreten und kein Grund zur Scham sind, können erste Hemmungen abbauen.

Eine große Erleichterung ist es für Patienten mit Zahnarztscham, wenn sie das Gefühl haben, verstanden und nicht verurteilt zu werden. Statt Kritik zu üben, sollte eine sachliche und informative Aufklärung im Mittelpunkt stehen. Wichtig ist es, zu vermitteln, dass Zahnerkrankungen oft schleichend auftreten, sich manchmal trotz guter Zahnhygiene nicht vermeiden lassen oder durch genetische Voraussetzungen bedingt sind. Der Patient oder die Patientin soll für eine bessere Zahnpflege motiviert werden, ohne Druck oder Schuldgefühle.

Auch hilft es, den Behandlungsprozess schrittweise und transparent zu gestalten, um mögliche Unsicherheiten über unangenehme Prozeduren zu nehmen. Indem Patienten in den Entscheidungsprozess einbezogen werden, wird das Gefühl der Kontrolle gestärkt, was wiederum dazu beiträgt, dass die Scham sinkt. Auch das Gefühl des Ausgeliefertseins lässt dann nach.

Je nachdem, wie der Patient oder die Patientin eingeschätzt wird, können ein offener Dialog und ein vertrauensvolles Gespräch über das Thema unterstützend sein. Hier kommt es auf das richtige Fingerspitzengefühl an, denn viele Menschen fühlen sich bei einer direkten Ansprache der Problematik in die Ecke gedrängt und verschließen sich.

Was in jedem Fall eine große Rolle für das Wohlbefinden spielt, ist die Praxisumgebung selbst. Ein freundliches, helles und entspanntes Ambiente wirkt sich positiv auf die Angst und das Gefühl von Zahnarztscham aus. Die Patientin oder der Patient fühlt sich direkt in guten Händen. Das beinhaltet auch einen einfühlsamen Umgang des gesamten Praxisteams, von der Rezeption bis zur Assistenz.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist Geduld. Selbst wenn die ersten Barrieren bei Zahnarztscham abgebaut sind, wird nicht jede Patientin oder jeder Patient sofort zu jeder Kontrolle erscheinen. Wichtig ist es daher, selbst kleine Fortschritte zu loben. Ergänzend hat es sich bewährt, individuell abgestimmte Empfehlungen und praktische Tipps zur Verbesserung der Mundhygiene auszusprechen, die auf die Bedürfnisse und den Alltag des Patienten oder der Patientin zugeschnitten sind.

Das können Zahnärztinnen und Zahnärzte noch bei Zahnarztscham tun:

  • Vertrauensvolle Beziehung durch eine kontinuierliche und langfristige Begleitung aufbauen
  • Intimsphäre berücksichtigen
  • Wertungsfrei behandeln
  • Diskretion wahren

 

Fazit 

Zahnarztscham ist wie jede andere Angst sehr belastend. Als Zahnärztin oder Zahnarzt ist es wichtig, Verständnis für die Situation zu zeigen. Gewinnt der Patient oder die Patientin Vertrauen, ist der erste Schritt getan, um die Scham abzubauen. Der „Vorteil“ von Zahnarztscham im Gegensatz zu anderen Ängsten: Die Behandlung selbst trägt dazu bei, dass die Scham weniger wird. Denn wenn die Zähne wieder rundum gesund und gepflegt aussehen, braucht man sich auch nicht mehr zu schämen.

 

Quellen: 

  • Das Gesundheitsportal medondo.health  
  • Wille R. Ich schäme mich, zum Zahnarzt zu gehen [Internet]. Initiative proDente e.V. Initiative proDente e.V.; 2022 [cited 2024 Sep 24]. Available from: https://www.prodente.de/presse/schwerpunkt/ich-schaeme-mich-zum-zahnarzt-zu-gehen.html
  • National Institute for Health and Care Excellence. Overview | Dental checks: intervals between oral health reviews  | Guidance | NICE [Internet]. Nice.org.uk. NICE; 2004. Available from: https://www.nice.org.uk/Guidance/CG19
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  • Gilbert P, Miles JNV. Sensitivity to Social Put-Down: it’s relationship to perceptions of social rank, shame, social anxiety, depression, anger and self-other blame. Personality and Individual Differences. 2000 Oct;29(4):757–74.
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