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So werden Zahnverletzungen behandelt

19.08.2022

Jeder Zweite erlebt es vor dem 18. Geburtstag: eine Zahnverletzung. Durch die richtige Akutversorgung lassen sich langfristige Folgen vermeiden und verletzte Zähne oft retten. 

Was genau ist ein Zahntrauma?

Von einem Zahntrauma, einer Zahnverletzung oder einem Zahnunfall spricht man, wenn Zähne und ihre benachbarten Strukturen akut mechanisch verletzt wurden – z. B. durch einen Sturz oder einen Schlag. Dabei kann entweder nur die Zahnkrone betroffen sein oder die Zahnkrone und die Zahnwurzel. Auch die umgebenen Gewebe wie Knochen, Weichgewebe und Lippen können verletzt sein. Es wird außerdem unterschieden, ob der Zahnnerv (Pulpa) eröffnet wurde oder nicht.

Welche Arten von Zahnverletzungen gibt es?

Je nach Art der Verletzung unterscheidet man Zahnverlust, Zahnfraktur, Zahnlockerung und Zahnverlagerung.

Ausgeschlagene Zähne (Zahnverlust, Avulsion)

Wenn ein Zahn ausgeschlagen wurde, sich also komplett aus dem Zahnfach (Alveole) gelöst hat, ist es wichtig, dass schnell und richtig gehandelt wird. Die Prognose hängt davon ab, wie lange der Zahn außerhalb der Mundhöhle war, ob er feucht gelagert war und die Zahnwurzelhaut nicht beschädigt wurde. Generell sollte man bei Zahnverletzungen schnell reagieren. Das richtige Verhalten – insbesondere die schnelle Lagerung des Zahns in eine Zahnrettungsbox –  erhöht die Chancen, dass ein ausgeschlagener Zahn gerettet werden kann. Bei Zahnverlust sollte man immer sofort einen Zahnarzt, Kieferorthopäden, Kieferchirurgen oder Oralchirurgen aufsuchen. Er kann den Zahn vorsichtig wiedereinsetzen. Anschließend wird er für 7 bis 10 Tage mit einer flexiblen Schiene geschient.

 

Erste Hilfe für ausgeschlagene Zähne bei einem Zahntrauma
Zahnrettungsbox I Quelle: Dental Traumatology Projects, Tallinn

Abgebrochene Zähne (Zahnfraktur)

Ein abgebrochenes Stück Zahnschmelz im Bereich der Zahnkrone (Kronenfraktur) kann durch eine zahnfarbene Kunststoff-Füllung ersetzt werden. Sollten Risse im Zahnschmelz entstanden sein, kann eine Versiegelung der Zahnoberfläche dazu beitragen, Mikrorisse, die als Eintrittspforten für Bakterien dienen können, zu verschließen.

Sollte bei der Fraktur der Zahnkrone neben dem Zahnschmelz auch das darunterliegende Dentin ("Zahnbein") mitbeteiligt sein (Schmelz-Dentin-Fraktur), ist eine komplexere Versorgung notwendig. Ansonsten können über die freiliegenden Dentinkanälchen Bakterien in den Zahn eindringen.

Sollte der Zahn im Bereich der Wurzel gebrochen (Wurzelfraktur) sein, hängt es davon ab, ob der Zahn quer oder längs gebrochen ist. Ist die Zahnwurzel quer gebrochen, sind die Heilungschancen gut. Das abgebrochene Stück der Zahnkrone wird in seine ursprüngliche Position gebracht und der Zahn bis zu drei Monate starr geschient. In dieser Zeit gilt es abzuwarten, wie sich die Heilung des Zahnnervs (Pulpa) entwickelt. Kann der Zahnnerv nicht erhalten werden, muss der Zahn mit einer Wurzelfüllung versorgt werden ("Wurzelbehandlung").

Ist die Wurzel längs gebrochen, ist die Prognose schlechter und der Zahn muss in der Regel gezogen werden.

Bei Kronen-Wurzel-Frakturen, die sehr weit unter das Zahnfleisch reichen, ist die Therapie komplexer. Der Zahnarzt sollte interdisziplinär mit dem Kieferorthopäden und Kieferchirurgen die Prognose und Therapie abklären. Wenn der Zahn erhalten bleiben kann, braucht es unter Umständen zusätzliche Maßnahmen wie eine chirurgische Kronenverlängerung. Dabei wird ein Teil der Wurzel chirurgisch freigelegt, damit der Zahn besser versorgt werden kann. Das kann auch durch eine kieferorthopädische oder chirurgische Extrusion geschehen: Dabei bewegt man den Zahn ein Stück aus dem Kieferknochen heraus.

Zahnempfindlichkeit und Lockerung

Wenn der Zahn nach einem Unfall empfindlich auf einen Klopftest (Perkussionstest) reagiert, spricht man von einem positiven Sensibilitätstest. Das spricht dafür, dass nur der Zahnhalteapparat verletzt ist. Der Zahn kann dabei wackeln oder gelockert sein, aber nicht verlagert. In diesen Fällen ist es sinnvoll, eine Einzelbild-Röntgenaufnahme zu machen, um weitere Kiefer- oder Zahnverletzungen auszuschließen. Die erste Zeit sollte man weiche Kost zu sich nehmen. Manchmal muss man den Zahn auch für ein bis zwei Wochen mit einer flexiblen Schiene stabilisieren.

Zahnverlagerung (Dislokation) 

Von einer Dislokation spricht man, wenn Zähne verlagert sind. Ragen sie über die Zahnreihe hinaus (extrusive Dislokation oder Extrusion) oder sind sie seitlich aus der Zahnreihe gelöst (laterale Dislokation), ist der Zahnhalteapparat geschädigt. Die Fasern des Zahnhalteapparates können gedehnt sein und der Nerv des Zahnes kann durch Abriss des Gefäß-Nerven-Bündels (Pulpa) verletzt sein. Der Zahn reagiert auf den Klopftest positiv. Auf den Vitalitätstest (Kältetest) spricht der Zahn meist nicht an. Ein Röntgenbild zur Abklärung ist wichtig.

Der betroffene Zahn oder die betroffenen Zähne müssen exakt in ihre ursprüngliche Position gebracht werden. Anschließend werden sie für ein bis vier Wochen mit einer flexiblen Schiene geschient. Oft wird im späteren Verlauf eine Wurzelkanalbehandlung notwendig.

Wurde der Zahn in den Knochen hineingedrückt (intrusive Dislokation oder Intrusion), hängt die Therapie sehr stark vom Alter des Patienten ab. Ist das Wurzelwachstum beim Kind oder Jugendlichen noch nicht abgeschlossen, besteht die Chance, dass der Zahn sich spontan wieder in die alte Position bewegt. In diesem Fall kann bei einer Verlagerung bis 7 mm für drei bis sechs Wochen abgewartet werden. Bewegt sich der Zahn nicht von alleine aus dem Zahnfach heraus, muss er entweder chirurgisch oder kieferorthopädisch eingeordnet werden. Wenn der Kieferknochen mit geschädigt ist, muss der Zahn sofort an seine ursprüngliche Position gebracht werden. 

Wenn das Wurzelwachstum bei der Verletzung bereits abgeschlossen ist, kann bei kleineren Verlagerungen in den Knochen ebenfalls eine Spontanheilung abgewartet werden. Bei Verlagerungen größer als 3 mm ist eine kieferorthopädische oder chirurgische Einstellung des Zahns mit anschließender flexibler Schienung für ein bis zwei Wochen notwendig. Der Zahn reagiert auf den Klopftest positiv und auf den Vitalitätstest meist negativ. Ein Röntgenbild zur Abklärung ist wichtig.

Die Prognose der Zähne hängt davon ab, wie weit sie in den Knochen hineingedrückt wurden und in welchem Zustand sich die Zahnwurzel befindet. Ist der Zahn weit in den Knochen hineingedrückt, kann es zu einer Verwachsung des Zahns mit dem Kieferknochen (Ankylose) kommen. Dies kann vor allem im Wachstumsalter zu Langzeitschäden durch Hemmung des Knochenwachstums in dem Bereich führen. Oft wird eine Wurzelkanalbehandlung notwendig.

Was tun bei Zahnverlust und Zahnlücke?

Wenn der Zahn nach einer Verletzung nicht erhalten werden kann, ist es wichtig, wie die entstandene Zahnlücke versorgt wird, damit das Knochenwachstum nicht behindert wird und sich der Knochen nicht abbaut. Mögliche Alternativen sind:

  • kieferorthopädischer Lückenschluss
  • autogene Zahntransplantation (ein eigener Zahn des Patienten wird transplantiert)
  • Dekoronation (Entfernung der Zahnkrone und Belassen der Zahnwurzel, um den Knochen im Wachstumsalter zu erhalten)

Kinder und Jugendliche können nicht mit einem Implantat versorgt werden, da ihre Kiefer noch wachsen. Die Lücke muss also bis zum Wachstumsabschluss anders versorgt werden, z. B. mit einer einflügeligen Klebebrücke aus Keramik (Marylandbrücke).

Im Milchgebiss und im frühen Wechselgebiss ist eine Versorgung mit Klebebrücken an Nachbarzähnen jedoch schwierig. Eine herausnehmbare Kinderprothese oder Zahnspange als Dauerlösung hemmt das Kieferwachstum. Die Aussprache kann ebenfalls beeinträchtigt sein. Hier kann man alternativ einen anderen Zahn des Patienten in die Zahnlücke einsetzen. Dies stellt eine ästhetische und funktionelle Alternative dar und verhindert, dass sich der Kieferknochen abbaut und eine spätere Implantation erschwert bzw. zu ungünstigen ästhetischen Ergebnissen im Frontzahnbereich führt. Diese Methode wird autogene Transplantation genannt und wird vom Kieferchirurgen durchgeführt. Im frühen Wechselgebiss können Milchzähne versetzt werden. Im späten Wechselgebiss können kleine Backenzähne (Prämolaren) im Mund versetzt werden, um den Knochen im Frontzahnbereich zu erhalten. 

Zahnunfälle durch Zahnschutz vermeiden
Mit Schutzausrüstung und Sportmundschutz  lassen sich Zahnunfälle vermeiden I Quelle: unsplash

 

Sportmundschutz schützt vor Verletzungen

Ein Zahnschutz bzw. Sportmundschutz hilft Zahnverletzungen zu vermeiden. Deshalb ist es im Profisport wie Boxen, Eishockey oder Hockey ist das Tragen eines Zahnschutzes Pflicht. Für den Amateur- und Freizeitsport werden nur sehr selten verpflichtende Empfehlungen gegeben. Grundsätzlich ist ein Sportmundschutz bei allen Sportarten mit höherem Risiko für Verletzungen der Zähne und der Kiefer empfehlenswert. Aber auch bei vermeintlich harmlosen Freizeitsportarten wie Radfahren, Fußball, Inlineskating oder Basketball ist das Tragen eines Mundschutzes eine gute Idee.

Ein Poster zum richtigen Verhalten und Erste Hilfe bei Zahnunfällen gibt es hier

Zahnrettungskonzept bei traumatischem Zahnverlust
Quelle: Dental Traumatology Projects, Tallinn

Quellen

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